Donnerstag, 16. Juni 2011

Süßes auf Japanisch – ein kulinarischer Streifzug durch Tokyo


Auch Japaner sind Leckermäuler, ob es sich nun um japanische oder „westliche“ Naschereien handelt. Das Angebot an Süßigkeiten und Desserts ist riesig und köstlich.


Eine Nascherei mit gelbem Maronenkern, 
Anko und Grüner Tee-Paste


Traditionsgemäß wurden Süßes und Desserts nicht, wie bei uns, mit Fett oder auch Sahne hergestellt, sondern, und das passt wiederum ins Bild des traditionellen Japaners, aus Reis, Reismehl, Mungo- und Azukibohnen, Zucker, Sojabohnenpulver, Sesam und anderen Pflanzen und Gewürzen der Jahreszeit. Im Land der aufgehenden Sonne verbot die buddhistische Lehre lange Zeit die Tötung von Tieren. Da es keine Rinderzucht gab, existierten in der japanischen Küche auch keine Milchprodukte wie Butter oder Sahne. Erst mit Einsetzen der Meiji-Restauration im Jahre 1868 setzte die westliche Kultur ihren Einfluss durch. Darüber hinaus kam Zucker erst Mitte des 8. Jahrhunderts von China nach Japan und war dann lange nur der oberen Klasse vorbehalten, bis er ab Ende des 19. Jahrhunderts auch für die Angehörigen der anderen Schichten zugänglich wurde.

Bei der Herstellung japanischer Süßigkeiten z.B. auf Basis von Bohnen sollte man allerdings nicht an unsere Gemüsebeilage denken; vielmehr ähneln die Bohne, aus denen beispielsweise „Anko“ gekocht wird, geschmacklich den uns bekannten Maroni. Dieses Anko-„Püree“ lässt sich von Leckermäulern entweder „einfach so“ essen oder aber auch als Basis weiterer Süßigkeiten, z.B. zur Füllung von Teigen, verwenden.

Will man sich im bevölkerten Tokyo auf der Suche nach den typisch japanischen Leckereien machen, kann man sein Glück beispielsweise in Teehäusern versuchen. Die traditionelle japanische Küche kennt einen Nachtisch übrigens nicht, da man das Essen mit Reis und grünem Tee zu beenden pflegte. Dennoch gab es auch bereits im „alten“ Japan Süßigkeiten, die jedoch üblicherweise zum Tee und somit unabhängig von einer Mahlzeit verspeist wurden.
Da, wie vieles in Japan, auch die Essgewohnheiten zunehmend westlichem Einfluss unterliegen, lässt sich im Alltag auch hier ein stetiger Wandel feststellen. So wird zum Tee nach dem Essen ein leichtes Dessert gereicht, wobei es sich auch um frisches Obst – je nach Saison – handeln kann: Clementinen, Nashi, die japanische Birne, Kaki oder Erdbeeren.


Diverse japanische Leckereien

Vor allem in Tokyo werden Sie die Erfahrung machen, dass entweder Fotos wie in einigen Teehäusern oder Plastikimitationen von Speisen in den Glasvitrinen vor Restaurants gerade Touristen bei der Auswahl ungemein weiterhelfen. Am einfachsten ist es natürlich, japanische Bekannte zu haben, die einem darüber hinaus bei der Erläuterung des Dargestellten – schließlich kennen wir „Westler“ nicht unbedingt alle Zutaten – behilflich sein können. Somit kann ein Dessert beispielsweise aus einer Art Fruchtsalat bestehen, die neben Mandarinenschnitzen (die dürfen auch schon mal aus der Dose sein) und anderem Obst – bis hier klingt es noch recht vertraut – auch milchig-weiße, götterspeisenartige und in Würfel geschnittene Bestandteile enthalten können. Schmeckt eigentlich recht gut.

Darüber hinaus kann man immer häufiger auch Kombinationen, z.B. eine Kugel Vanilleeis inmitten der japanischen Leckereien oder „an“ kleinen roten Azukibohnen, antreffen. Oder einfach auch Eiscreme, gefertigt aus grünem Tee, wobei die Japaner wieder einmal eine ungemeine Kreativität im Bezug darauf, was man mit dem Nationalgetränkt – wir sprechen hier nicht von Sake – noch alles machen kann.

Es ist übrigens bewundernswert, zu welcher Perfektion Japaner die Herstellung von Götterspeise gebracht haben. Hierbei sollte man jedoch nicht an „unsere“ farbenfrohe Kindernachtischwelt denken; vielmehr verwandeln Geschmacksrichtungen wie Kaffee oder sogar einige cremige Varianten die möglicherweise anfangs eher belächelnd-herablassende Reaktion des Touristen auf diesen „Kinderkram“ in wirkliche Bewunderung; Auch hier sind die Japaner zu wahren Meistern geworden.


Götterspeise in der Geschmacksrichtung 
Pfirsich mit Fruchtstücken

Selbstverständlich gibt es in einer Stadt wie Tokyo auch Cafés, unzählbare, wobei viele französisch oder auch italienisch beeinflusst sind und man sich bei einem Besuch in einem solchen aufgrund der japanischen Perfektion beinahe wie im jeweiligen Land fühlt – wären da nicht die freundlichen japanischen Bedienungen, die einem Gast beim Betreten des Cafés zur Begrüßung ein ebenso freundlichen „irasshaimase“ – willkommen – zurufen. Und wie man feststellen kann, wenn man sich die Kunden genauer ansieht, lieben Japaner solche Besuche in Cafés ebenso wie wir „Westler“; Mousse au chocolat, Schokoladencroissants, Obstkuchen, Café au lait sind nur einige der Leckereien, die zum Standardprogramm gehören.

Handelt es sich nun um Götterspeise oder Backwaren, japanische Bäcker und Konditoren sind wahre Meister darin, Mousse oder Törtchen jeder Art, deren Herstellung sie z.T. in Frankreich oder auch Deutschland gelernt haben, perfekt herzustellen. Bäckereien in Japan, in denen man sich üblicherweise am Eingang mit einem Tablett und einer Zange „bewaffnet“, die gewünschten Backwaren aussucht und auf seinem Tablett dann an die Kasse trägt, haben ein qualitativ hervorragendes Angebot mit Kuchen und süßen Teilchen mit und ohne Obst. Übrigens gibt es auch einen japanischen Rührkuchen, Kastela, der eindeutig auf portugiesischen Einfluss zurückzuführen ist.

Verschiedentlich fallen dem aufmerksamen Besucher auch Verkaufsstände auf, an denen Teigtaschen mit unterschiedlichsten Füllungen feil geboten werden.
An der Art der Füllen lässt sich durchaus auch wieder der ausländische Einfluss feststellen: es gibt hier sowohl „Anko“ als auch „Casutado Curiemo“, wohinter sich „Custard Cream“ verbirgt, also eine Art Vanillesauce oder –pudding. (Am Rande bemerkt ganz vorzüglich!) Andere Füllungen können beispielsweise Schokopudding oder die Kombination Schoko-Banane sein, aber auch die salzige Variante ist vertreten, also mit Käse, oder auch Käse-Schinken, um nur einige zu erwähnen. Dabei kann es einem auch passieren – wie im konkreten Fall in Tokyos Vorstadt Machida –, dass ein weiterer Verkaufsladen mit genau den gleichen Produkten direkt neben dem ersten Geschäft liegt, d.h. dass sie nur durch einen schmalen Fußweg voneinander getrennt sind; und der einzige Unterschied – und das ist kein Witz – liegt darin, dass die Leckereien des ersten Geschäftes rund, die des zweiten OVAL sind!!!


 
Zwei konkurrierende Geschäfte, die leckere 
Teigtaschen in den Varianten süß und salzig 
verkaufen - links in oval, rechts rund! (siehe Text)
Bei der Herstellung von runden Teigtaschen mit
Schokoladen- und Custard Cream-Füllung
Herstellung ovaler Teigtaschen bei der Konkurrenz nebenan - 
Wettbewerb belebt das Geschäft 


Dass Süßes gut fürs Geschäft ist, stellten wohl auch die Betreiber eines „All-you-can-eat“-Dessert-Büffets im tokyonahen Yokohama fest, die sich auf die süße Nachtischwelt spezialisiert haben. Dabei ändert sich die jeweilige Geschmacksrichtung regelmäßig, kann beispielsweise in einer Woche Erdbeere sein, was bedeutet, dass die Frucht Erdbeere in wirklich allen denkbaren Variationen anzutreffen ist: als Eis, Törtchen, Obstsalat etc. etc. etc. Dennoch ist es bewundernswert, wie schlank die Mehrzahl der Japanerinnen (und Japaner) trotz aller Leckereien doch sind – ob das an den kleinen Portionen liegen mag?

Immer wieder lassen sich auch gewisse Trends feststellen, denen dann nicht selten ein Großteil der Bevölkerung folgt. Besonders auffallend war gerade in einem Jahr der Trend mit den „Belgischen Waffeln“, die tatsächlich zum Renner der Saison wurden: überall sprießten kleine – und das heißt wirklich KLEINE – Geschäfte aus dem Boden, in denen sich manchmal gerade mal eine Person aufhalten konnte, die dann die Waffeln, dicker und kleiner als „unsere“ einheimischen Waffeln und sehr, sehr lecker, buk und verkaufte.
Offenbar versuchte man im folgenden Jahr an diesen Trend mit „Portuguese eggtarts“ anzuknüpfen, die jedoch nicht den gleichen durchschlagenden Erfolg wie die belgischen Waffeln hatten.

So unterschiedlich die japanische Kultur auch sein mag, Japan als Land kennenzulernen, seine Menschen und natürlich auch deren Essgewohnheiten üben eine ganz besondere Faszination aus. Wie traditionell Japaner auch sein mögen, wenn man an der „modernen“ Oberfläche kratzt, so auffallend ist auch ihre Neugierde für Westliches. Machen Sie sich keine Sorgen, in Japan Schwierigkeiten mit dem Essen zu haben – es lässt sich, zumindest in Tokyo, mit Sicherheit für jeden Geschmack etwas finden.

MB